Liebe Freunde und Gefährten,
gerade von meinen Seminaren auf der schönen Insel Lesbos zurück gekehrt, möchte ich Euch über die momentane Situation dort informieren und euch auch an meinen Gedanken dazu teilhaben lassen.
Wieder einmal wurde mir gezeigt, dass Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, sich sehr unterschiedlich zeigen und wir aufgefordert sind, die beiden Seiten einer Medaille zu betrachten.
Momentan gibt es nur wenige Flüchtlinge auf der Insel und die, die noch da sind, wurden in dazu hergerichteten Lagern untergebracht. Es sind weiterhin Helfer aus der ganzen Welt dort, die sich darum kümmern. Für Nahrung, Kleidung und medizinische Erst-Versorgung steht alles zur Verfügung. Ein Lager ist in der Nähe von Skála Sikaminéas, einem kleinen idyllischen Hafenort mit einer kleinen Hochzeitskapelle auf einem Felsen, der aus dem Meer herausragt und mit dem Land verbunden ist. Von diesem Platz aus sieht man, nicht weit vom Hafen entfernt, ein riesiges Zelt, das als Auffanglager für die Flüchtlinge gedient hat, die direkt dort mit ihren Booten ankamen. Momentan leben die Flüchtlinge in Auffanglagern die im Landesinneren liegen. Es wurde dafür gesorgt, dass die Flüchtlinge vom Hafen und dem Meer schnell wegkamen, damit sie von den Touristen nicht mehr gesehen werden.
Von den Helfern erfuhren wir, dass auch in Mytillini, der Hauptstadt von Lesbos, viele Flüchtlinge untergebracht wurden. Allerdings an einem Ort, an dem bestimmt niemand hinkommen möchte, nämlich im Gefängnis. Dort müssen katastrophale Bedingungen herrschen.
Als wir am ersten Tag mit der Gruppe zum Abendessen gingen, konnten wir dieses Mal nicht in unsere vertraute und über Jahre hinweg lieb gewonnene Taverne gehen, weil es diese nicht mehr gab. Eine Taverne die sehr gutes Essen hatte und immer gut besucht war. Als wir ein paar Tage später die Besitzer trafen, eine Kölnerin und ihr griechischer Mann, erfuhren wir, dass die beiden die Entscheidung treffen mussten nach Köln zu ziehen. Sie erzählten, dass letzten Sommer 4.000 Flüchtlinge an einem Platz am Fuße der Stadt Molivos, 200 Meter von ihrer Taverne entfernt lagerten. Eines Tages kam die Polizei und verjagte die Flüchtlinge von diesem Platz. So kam es, dass sie an der Straße, die weiter zur Innenstadt führte, am Straßenrand entlang ihr Lager aufschlugen. Wo sollten sie auch hin? Sie hatten keine andere Möglichkeit, als abzuwarten und waren auf Hilfe angewiesen. Viele Griechen kamen auch mit Essen und Kleidung und taten ihr Bestes um zu helfen. Oft waren es die, die selbst nicht viel haben.
Für unsere Taverne hieß dies jedoch, dass die Flüchtlinge direkt vor ihrer Türe lagerten und sogar die besten Freunde anriefen und ihnen sagten, dass sie es sehr bedauern, aber sie können unter diesen Umständen einfach nicht zum Essen kommen. Wer kann schon genüsslich essen, wenn all das Leid vor Augen ist?
So ging es vielen Restaurants und Geschäften. Wer nicht den Atem hatte, für viele Wochen und Monate durchzuhalten war gezwungen aufgegeben. Die Touristen blieben weg, leider auch nachdem vieles wieder geregelt war und seinen normalen Lauf nahm. Von den Taxifahrern, die wir seit vielen Jahren kennen erfuhren wir, dass momentan ein Touristeneinbruch von ungefähr 75% zu beklagen ist. Im Vergleich zu früher, wirkte die Ruhe am Abend so manches Mal ein wenig gespenstisch ohne die gewohnten Touristen, die nur noch vereinzelt zu sehen waren.
Als ich mich in die Menschen dort - Flüchtlinge oder Einheimische hineinspürte, fühlte ich von beiden Seiten Verzweiflung, Not und irgendwo ein nicht Verstehen, warum es gerade sie so trifft. Aber auch Annahme und Akzeptanz war zu spüren. Viele Griechen nutzen auch die Chance um neue Ideen fürs Überleben zu entwickeln und packen an. Sie räumen auf, verschönern und geben nicht auf. Sie freuen sich sehr über jeden Touristen, der in ihr Land kommt und man spürt regelrecht ihre Freude und Dankbarkeit.
In jeder geöffneten Taverne waren wir herzlich willkommen und meistens bekamen wir sogar wunderbare Nachspeisen, deren Herstellung sehr arbeitsintensiv ist, als Geste ihrer Wertschätzung geschenkt.
Viele Griechen wissen nicht, wie und ob es überhaupt nächsten Monat weitergeht, aus lauter Sorge und Existenzangst gibt es vermehrt Krankheitsfälle und auch Krebs. Doch die Einheimischen helfen sich gegenseitig, wenn einer krank wird, sammeln sie, damit z.B. eine Chemobehandlung und Arztrechnungen bezahlt werden können. Eine Krankenversicherung die die Kosten übernehmen könnte haben sie nicht.
Wir haben so viele Schicksale vor Ort angetroffen und daher in unseren Seminargruppen beschlossen, dieses Mal für die griechische Bevölkerung Geld zu sammeln. Ursula und Irini, zwei Deutsche Frauen, die seit vielen Jahren den Milelja-Inselgarten, ihr schönes Seminarzentrum leiten, in dem auch wir mit den Gruppen waren, engagieren sich sehr für die Griechen. Sie hatten Tränen in den Augen als sie uns voller Freude berichteten, dass durch unsere Unterstützung nun genügend Geld zusammen gekommen ist, um eine Industriewaschmaschine für das Krankenzentrum in Kalloni zu kaufen. Bisher mussten die Angestellten die schmutzige Wäsche mit nach Hause nehmen, weil sie sich keine Waschmaschine leisten konnten. Es war so einfach und leicht die Menschen durch eine Spende glücklich zu machen!
Mit großer Besorgnis schaut man über das Meer in die Türkei, die in Sichtweite liegt hinüber. Dort drüben nur 1 ½ Schiffsstunden von Lesbos entfernt, warten 20.000 – 30.000 Flüchtlinge darauf, die Türkei verlassen zu können. Wenn diese Menschenmassen die Insel Lesbos erreichen sollten, kann sich niemand vorstellen, wie man das bewerkstelligen soll.
Ich verstehe natürlich auch die Flüchtlinge und Migranten, dass sie sich eine Zukunft in einem sicheren Land wünschen, in dem jeder Arbeit und genug zu essen hat. Unabhängig von der Herkunft ist das Grundbedürfnis eines jeden Menschen sich versorgen zu können und eine Heimat zu finden. Die Herausforderung der aktuellen Situation ist eine Lösung zu finden, die für alle gut und stimmig ist.
Ich bin voller Dankbarkeit, dass es uns so gut geht, wir in einem freien Land leben und es uns leisten können Geld zu sammeln um anderen damit helfen zu können.
Ich sende euch allen Sonnenstrahlen aus Korfu. Hier gebe ich das Herz- Code Urlaubsseminar.
In Liebe und Verbundenheit, Eure Christa
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