Wir sind der Wandel
Unaufhörlich schwimmen wir im Fluss des Lebens. Im Wandel der Zeit richtet sich unser Leben in jedem Moment nach der Zeitqualität, die gerade herrscht. Wir sind aufgefordert, immer wieder unsere Lebenssituationen von neuem zu überprüfen.
So beobachte ich die Geschehnisse auf unserer Erde und höre in mich hinein, was mir dies zu sagen hat. Was ist unsere Aufgabe, was können wir daraus lernen? Die Herausforderung der neuen Zeit besteht darin, alles ganzheitlich zu betrachten, d.h. aus verschiedenen Blickwinkeln.
Heute möchte ich die Flüchtlingssituation aus einem anderen Blickwinkel betrachten, der ebenfalls ernst genommen werden möchte.
Ich nehme die Schwingung der Besorgnis und der Angst wahr, weil immer mehr Flüchtlinge kommen. Ich höre Berichte von Menschen, die unmittelbar konfrontiert sind, die Tür an Tür mit den Asylanten und deren Unterkünften leben. Von einem Polizisten höre ich hinter vorgehaltener Hand, es soll nicht an die Öffentlichkeit dringen, von Diebstählen, Drohungen, Vergewaltigung, Verschmutzung und Vermüllung. Im Fernsehen sah ich einen Bericht von einem Bürgermeister, der an die Asylanten eine Art „Gebrauchsanweisung“ herausgibt, wie sie sich zu verhalten hätten, weil einiges vorgefallen war. Dadurch sorgte er für viele aufgebrachte Stimmen in den eigenen Reihen. Als die Reporter die betroffenen Asylanten dazu befragten stellte sich heraus, dass sie es verstehen und es für richtig finden, wenn bestimmte Regeln für ein gemeinsames Miteinander eingehalten werden sollten. Sie wollten sich in Zukunft selbst einsetzen und Sorge dafür tragen, dass alle diese Regeln respektieren. Von einem Klienten erfahre ich, was er bei einer Gemeinderatssitzung beobachtet hat. Die kleine Gemeinde hatte gerade beschlossen, mitten in ihrem Ort Unterkünfte für die Asylanten, die ihnen zugewiesen wurden, zu bauen. Es gab niemanden, der sich dagegen aussprach. Jedoch hörte er hinter vorgehaltener Hand viele Stimmen, die Bedenken äußerten. Immer wieder fiel ein Satz: wir wollen ja helfen, doch es sind einfach zu viele. Wir dürfen unsere Bedenken und Ängste nicht äußern, sonst werden wir gleich verurteilt und vielleicht sogar als ausländerfeindlich gebrandmarkt.
Die Herausforderung der neuen Zeit für die Menschen besteht nicht nur darin, das Herz für die Brüder und Schwestern zu öffnen, die in Not sind. Sie besteht auch darin, dass wir unser Herz für uns öffnen und zu uns stehen. Das wir uns erlauben unsere Ängste und Bedenken da sein zu lassen. Ehrlich, wer macht sich nicht Gedanken und hat eventuell Befürchtungen, wie all das weitergehen soll, im Angesicht der nicht aufhörenden Flüchtlingsströme? All das hat auch seine Berechtigung. Es ist eine Situation, die vorher noch nie dagewesen ist. Wir werden aufgefordert, unsere kollektiven Schuldgefühle und die Vergangenheit in den Frieden zu bringen. Denn wir haben daraus gelernt. Wir haben die Chance, in einem friedlichen Miteinander, gute Gastgeber zu sein. Voraussetzung dafür ist in meiner Wahrnehmung: Dass wir uns und den eigenen Landsleuten in Wertschätzung erlauben, ihre Bedenken und Ängste auszusprechen, ohne sofort zu verurteilen und abzustempeln und sie in die Schublade der Ausländerfeindlichkeit zu stecken. Dass wir offen sind für die Blickwinkel der einheimischen Mitbürger, damit sie sich verstanden fühlen und auch ihre Bedürfnisse gesehen werden, denn auch das gehört zur Liebe. Dass wir mutig für unsere Werte, die uns wichtig sind, einstehen und klare Grenzen ziehen, dort wo sie vielleicht von unseren Gästen nicht respektiert werden.
Wir haben es in der Hand, ob wir die sein werden, die weiter den Kurs bestimmen, weil wir uns erlauben, unsere Wahrheit auszusprechen und uns dafür einzusetzen. Denn, wenn wir es nicht selbst tun, wie sollen es dann unsere Gäste tun?
Wir haben es in der Hand, sind unsere eigenen Schöpfer, ob unsere Gäste uns und unserer Kultur gegenüber wertschätzend, respektvoll und dankbar, in einem Land des Friedens leben zu dürfen, begegnen werden. Wir sind aufgefordert, in unsere Kraft und die eigene Wertschätzung zu gehen und für uns und unsere Werte einzustehen. Wir dürfen auch Grenzen aufzuzeigen, wo unsere Kapazität überschritten wird, denn auch das ist Liebe. Jeder Einzelne ist aufgefordert, für sich zu überprüfen: wo dulde ich das jemand über meine persönlichen Grenzen geht? Die Flüchtlingssituation zeigt, dass wir mit dem Thema Abgrenzung ein Problem haben, denn nichts geschieht zufällig. Die Aufforderung ist: unterscheiden zu lernen, wo bestehen berechtigte Bedenken und wo ist es einfach nur Angst gegenüber all dem Neuen und Unbekannten, das uns begegnet.
Wir sind aufgefordert, nicht mehr stillschweigend alles zu schlucken und zu dulden, nur damit wir „makellose, reine Bürger mit Herz“ sind. Wir sind aufgefordert, in den Dialog mit den Anderen zu gehen. Wir haben die Chance, gute Gastgeber zu sein, deren Spielregeln selbstverständlich von ihren Gästen eingehalten und respektiert werden. Wenn wir jedoch selbst nicht für uns einstehen und uns scheuen und schämen, zu uns und den Werten unseres Heimatlandes zu stehen, werden es unsere Gäste auch nicht tun.
So beinhaltet unsere momentane Situation, wie alles, was geschieht auf der Erde, die Chance für uns,
M e i s t e r unseres Lebens zu werden.
In Liebe, Eure Christa
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